"Die Messe ist nicht nur ein Mittel zum Zweck". François Biltgen au sujet de la Foire de l'étudiant

Tageblatt: Herr Biltgen, die diesjährige Foire de l'étudiant steht ganz im Zeichen der "neuen Technologien". Wie sieht es mit Ihren persönlichen Kompetenzen in den Bereichen Computer, Internet, Netzwerke aus?

François Biltgen: Ich bin natürlich seit Jahren einer, der sich für ICT interessiert und auch benutzt. Natürlich nutze ich die Möglichkeiten meinem Alter entsprechend (lacht). Aber um es klar zu sagen: Ich habe kein Facebook-Account, was damit zu tun hat, dass ich nach dem Prinzip handele, dass wenn man Minister ist, man dies auch 24 Stunden am Tag ist und dementsprechend handele. In diesem Sinne, bin ich der Meinung, dass man nicht unterscheiden kann zwischen dem Minister und dem privaten Menschen. Wenn ich also auf Facebook wäre, müsste ich mir auch die nötige Zeit nehmen, um das Ganze ernsthaft, korrekt und ehrlich gegenüber den Bürgern anzugehen und nicht nur Bauchnabelschau zu betreiben. Auch lehne ich es ab, wenn man soziale Netzwerke lediglich als politisches Kommunikationsmittel benutzt. Keinen Respekt habe ich auch in diesem Sinne für jene Politiker, die Facebook nur kurz vor den Wahlen entdecken. Wenn, dann richtig und ehrlich. Gleichzeitig bin ich aber ein Mensch, der immer versucht, die neuen Technologien in seine politische Arbeit einzubinden. So zum Beispiel will ich eine öffentliche Debatte um die geplante Neuregelung des Nationalitätengesetzes. Einerseits gehe ich zu diesem Zweck in öffentliche Debatten, andererseits - Debatten sind nicht alles - habe ich eine Internetseite zu diesem Thema eingerichtet, wo die Menschen ihre Vorschläge unterbreiten und Meinungen äußern können. Jeder wird auch eine persönliche Antwort von mir erhalten. In diesem Sinne ist das Internet schon ein Mittel für mich, politisch aktiv zu werden. Zumal ich in meiner politischen Vergangenheit, ob lokal oder national, auch über weite Strecken für diesen Bereich zuständig war und mich für die Weiterentwicklung eingesetzt habe. Nur kommuniziere ich eben nicht über Facebook, aus den oben angeführten Gründen.

Tageblatt: Es gibt bei der diesjährigen Foire de l'étudiant einige Anderungen. Zum Beispiel wurden die politischen Jugendorganisationen, anders als in den Vorjahren, von der Veranstaltung ausgeschlossen. Warum?

François Biltgen: Zugelassen haben wir die politischen Jugendorganisationen vor Jahren, weil wir der Meinung waren, dass auch Politik seinen Platz in der Schule und bei der Bildung hat. Wobei ich sagen muss, dass diese Entscheidung mich nie sonderlich begeistert hat, sonderlich gestört hat sie mich aber auch nicht. Dann aber wurde die Frage aufgeworfen, nach welchen Kriterien eine politische Jugendorganisation definiert wird. Und diese Frage zu beantworten, ist schwierig. Ist eine politische Partei bzw. deren Jugendorganisation eine Partei, die im Parlament vertreten ist, eine die Geld im Sinne des Parteiengesetzes erhält? Und was ist eine Jugendorganisation? Ich habe darauf hin entschieden, diese Entscheidung der 'Conférence de la jeunesse' zu überlassen. Diese hat mir dann aber den Ball zurückgespielt mit dem Argument, sie sei hierfür nicht zuständig. Da die Messe aber Opfer ihres eigenen Erfolgs ist, und wir immer mehr Anfragen für Stände bekommen und dementsprechend, wenn wir allen Rechnung tragen würden, diese verkleinern müssten, haben wir entschieden, den vorhandenen Platz für den 'Core Business' zu nutzen und sogenannte Jugendorganisationen, für die uns wie gesagt eine genaue Definition fehlt, auszuschließen. Ich bin aber weiterhin der Meinung, dass eine politische Debatte sehr wohl ihren Platz auf der Foire hat. Aus diesem Grund wird am Freitag eine von der 'Conférence de la jeunesse' organisierte Konferenz über Probleme, die speziell die Jugendlichen betreffen, organisiert werden. Damit halten wir an dem Prinzip fest: Politik ja, aber eben nicht eine Politik, die sich durch das Verteilen von Kugelschreibern oder anderen Gadgets auszeichnet.

Tageblatt: Kritiker werfen der Foire de l'étudiant oft vor, dass jene Schüler, die wussten, was sie studieren sollen, ohnehin keine zusätzlichen Informationen erhalten, und die Unentschiedenen seien nach dem Besuch der Messe so schlau als zuvor. Was sagen Sie dazu?

François Biltgen: Das stimmt bedingt. Die Messe bringt nur etwas, wenn man sie gezielt zu nutzen weiß. Das setzt aber voraus, dass der Besuch der Foire de l'étdiant in der jeweiligen Schule, in der jeweiligen Klasse vorbereitet und diskutiert wird. Denjenigen Schüler, die ohne Vorbereitung nur aus dem Bus gekarrt werden, dann auf der Messe Werbegeschenke sammeln und vielleicht anschließend noch etwas trinken gehen, diesen Schülern bringt diese Veranstaltung sicher nichts. Wie meine Großmutter schon sagte: Man kann die Kuh zum Trog führen, saufen muss sie aber von sich aus. In anderen Worten: Wenn die Schulen sich nicht der Wichtigkeit einer richtigen und frühzeitigen Orientierung bewusst sind, dann kann weder die Bildungsministerin noch ich etwas tun. Wir organisieren die Messe, sie sinnvoll zu nutzen, obliegt aber dem einzelnen Schüler. Mit der entsprechenden Unterstützung der Schule. Das Abitur ist wohl eine wesentliche Etappe, nicht aber das Ende auf dem Bildungsweg. Diese Message müssen die Lehrer den Schülern vermitteln. Schule ist nicht da, auf einen Beruf vorzubereiten, wohl aber auf das Berufsleben. Und hier muss der Schüler sich Gedanken machen, welchen Weg er gehen will. Wir bieten ihm in diesem Zusammenhang mit der Foire eine gewisse Hilfestellung, er kriegt eine Reihe von Angeboten. Aus diesen muss der einzelne Schüler aber selbst etwas machen. Und hier stellt sich die Frage der Orientierung innerhalb der Schule. Die Studentenmesse ist ein Mittel zum Zweck, kein Zweck an sich.

Tageblatt: Stichwort "neue Technologien". Wie sieht es hierzulande mit den Berufschancen aus?

François Biltgen: Diese sind groß. Die Regierung arbeitet - Stichwort Diversifizierung der Wirtschaft - bekanntlich an vier großen Sektoren: Logistik, Biotechnologien, Raumfahrt und eben neue Technologien. In all diesen Bereichen spielt Informatik immer eine zentrale Rolle. Und hier entstehen Arbeitsplätze. Zum Beispiel Amazon: Das Internetunternehmen mit Sitz in Luxemburg wird in den kommenden Jahren ihre Personaldecke von derzeit rund 500 um 150 aufstocken. Nur hat das Unternehmen, wie deren Verantwortliche uns erklärt haben, ein Problem: Sie finden die nötige Arbeitskraft weder in Luxemburg noch in der Großregion. Dementsprechend müssen wir das jetzt bekannt machen. Natürlich ist in diesem Bereich der meistgesuchte Beruf der des Informatikers. Sie brauchen aber auch Juristen, Buchhalter und andere Berufe und Qualifikationen. Ein anderer Sektor, der stark in Luxemburg vertreten ist, ist der Gaming-Sektor. Diese Unternehmen kommen nicht mehr wegen der Mehrwertsteuer nach Luxemburg. Sondern wegen unserer Strukturen, unserer Datazentren und Datenautobahnen. Sie kommen aufgrund des regulatorischen Umfelds und des multikulturellen Hintergrunds. Sprachenvielfalt zum Beispiel ist ein wichtiges Element in diesem Bereich. Hier gibt es dementsprechend viele Berufschancen. Nur finden diese und andere im ITC-Bereich tätige Unternehmen nicht genügend qualifizierte Leute in Luxemburg.

Tageblatt: Nehmen wir vielleicht den Bereich der Weltraumforschung. Wenn die Luxemburger Regierung sich verstärkt hier engagiert, hat das rein ökonomische Gründe oder spielen auch konkrete beschäftigungspolitische Uberlegungen eine Rolle?

François Biltgen: Selbstverständlich. Ende des Monats werden wir in diesem Zusammenhang eine Pressekonferenz organisieren, um u.a. auch unser Young-Trainee-Programm bei der europäischen Weitraumagentur ESA vorzustellen. Hier soll dann auch zumindest einer der beiden Jugendlichen, die von dieser Förderung profitieren, Auskunft über die Beweggründe seiner Teilnahme und über etwaige Berufschancen geben.

Tageblatt: Wie gefällt Ihnen in diesem Zusammenhang der Begriff "Weltraumminister"?

François Biltgen: (lacht) Eigentlich sehr gut. Denn er sagt genau das aus, was es ist. Ich bin der erste Weltraumminister, weil ich sowohl eben Kommunikations- als auch Hochschul- und Forschungsminister bin. Es in der Tat ein Bereich ist, in dem noch viele Chancen für Luxemburg stecken. Ein Beispiel: SES, das Satellitenunternehmen, beschäftigt derzeit 500 Personen. Aber auch sie beklagen, dass sie keine Luxemburger mit der gefragten Ausbildung finden. Und hier reden wir nicht von Arbeitsstellen im Mindestlohnbereich. Ganz im Gegenteil. Aber diese Jobs setzen eben eine gewisse Ausbildung voraus. Das muss man den angehenden Studenten erklären und vermitteln. Viele Jugendliche, muss ich aber feststellen, wissen nämlich nicht einmal, dass es in Luxemburg gewisse Sektoren gibt, gewisse Arbeitsmöglichkeiten, die sie interessieren könnten. Und dabei sind die Jugendlichen von heute, aufgrund ihrer ITC-Kenntnisse, gerade prädestiniert für solche Berufe. Ob im Bereich Raumfahrt, aber auch bei der Spieleentwicklung. Hier bieten sich Möglichkeiten, dass Jugendliche quasi au ihrem Hobby ihren Beruf machen.

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