"Vom savoir zum savoir-faire". Le ministre de l'Enseignement supérieur et de la Recherche, François Biltgen, au sujet de la conférence ministérielle du processus de Bologne à Budapest et à Vienne

Birgit Pfaus-Ravida: Bis 2010 sollte "Bologna" einen europäischen Hochschulraum schaffen - ist das geglückt?

François Biltgen: Nein, aber Bologna hat die Voraussetzungen geschaffen. Der Rahmen steht für den Hochschulraum, doch das Bild ist noch nicht ganz gemalt. Es gibt noch nicht die echte Mobilität der Studierenden und der Lehrenden innerhalb Europas, die wir gerne hätten.

Birgit Pfaus-Ravida: Über zehn Jahre "Bologna" haben sich Eckpunkte verändert?

François Biltgen: Ein wichtiger Punkt: Beschäftigung. Man darf mit einem Hochschuldiplom nicht in Arbeitslosigkeit landen. Zweitens: Wie gehen die an Bologna teilnehmenden Länder mit dem Rest der Welt um? Es stellt sich die Frage der "brain circulation" statt des "brain drain" - auch zwischen Nord- und Südhalbkugel. Die Mobilität der Studenten und Lehrenden muss gewährleistet sein. Ein neues Thema ist außerdem die soziale Dimension. Wenn wir wissen, dass wir 50 Prozent Hochschuldiplome brauchen, dann müssen wir dafür sorgen, dass jeder, jung oder alt, ein Hochschuldiplom erreichen kann. Dafür ist der materielle Zugang wichtig. Luxemburg hat das gelöst - andere Länder noch nicht.

Birgit Pfaus-Ravida: Stichwort "soziale Dimension": Macht es wirklich Sinn, jedermann ein Universitätsdiplom zu ermöglichen? Geht das überhaupt?

François Biltgen: Das Problem ist noch "weiter unten" angesiedelt. In Luxemburg stellt sich die Frage: Erlangen überhaupt genügend Schüler das "Premiere-Examen"? Schon heute sind über die Hälfte der Arbeitsplätze "Bac plus"-Arbeitsplätze. Wir haben in Luxemburg aber nur 30 Prozent Hochschuldiplome. Bei der Schulreform geht es also auch darum, die Leute zu befähigen, auf die Uni zu gehen und dort zu bleiben. Bologna erlebt neue Herausforderungen, die nicht allein mit Hochschule zu tun haben, sondern vorher ansetzen - und danach, mit der Arbeitswelt. Daher muss mit dem Arbeitsmarkt zusammengearbeitet werden, auf Augenhöhe. In Luxemburg geschieht da ganz viel.

Birgit Pfaus-Ravida: Was sind international die häufigsten Irrtümer rund um Bologna? Man denke an den Vorwurf der "Verschulung"...

François Biltgen: Die Verschulung ist vor allem eine deutsche und österreichische Diskussion! In den verschiedenen Ländern begegnet Bologna verschiedenen Hindernissen. In Frankreich ist das Eliteturn ein Problem. Und: In vielen Ländern konzentrierten sich die Universitäten bisher auf die Vermittlung von Wissen. Doch Wissen findet man heute überall. Es muss darum gehen, wie man es verarbeitet. Der klassische Hörsaal ist nicht mehr konform mit einer postindustriellen Gesellschaft. Es geht nicht mehr um "savoir", sondern um "savoir-faire". Es stimmt außerdem nicht, dass die Forschung wegfällt. Der Student muss nämlich heute viel früher innerhalb des Studiums daran arbeiten, etwas Eigenständiges aus seinem Wissen zu machen.

Birgit Pfaus-Ravida: Sie haben in einem Artikel im Berliner "Tagesspiegel" Bologna als das "Unwort des letzten Jahr- zehnts" bezeichnet. Wie konnte es dazu kommen, dass "Bologna" für so ziemlich alles zu stehen scheint, was in der europäischen Hochschulpolitik schiefgelaufen ist?

François Biltgen: Es ist immer einfach, ein Feindbild zu finden. Viele der Reformen hätten in den einzelnen Ländern auch ohne Bologna kommen müssen. Wir hatten in Luxemburg das Glück, eine junge Uni zu sein. Da war es einfacher, alles umzusetzen. Was "Bologna" sein soll, zeigt die "Bolognese"-Sauce: In jedem Restaurant schmeckt sie anders. Aber es muss immer Fleisch drin sein, und sie darf nicht versalzen sein. Auf Bologna bezogen: Das Fleisch ist die Mobilität. "Versalzen" bedeutet: mit nationalen Debatten.

Birgit Pfaus-Ravida: Bologna ist kein Vertrag, es gibt immer nur informelle Kommunikees. Was geschieht, wenn ein Land nichts davon umsetzt?

François Biltgen: Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass man auch ohne den Zwang fester Verträge eine so große Dynamik erreicht hat. Es geschieht natürlich nichts, wenn sich jemand nicht daran hält. Aber: Die teilnehmenden Länder haben einen ganz klaren Wettbewerbsvorteil. Und das ist ein Ansporn.

Birgit Pfaus-Ravida: In Luxemburg ist die Umsetzung der Ideen von Bologna fast vollständig erfolgt. Wo gibt es noch Herausfordeurngen?

François Biltgen: Wir haben eine neue Gliederung der Gesellschaft. Und wir können nicht mehr von unseren Bodenschätzen und unseren Souveränitätsnischen wie dem Bankgeheimnis leben. Wir müssen Forschung und Innovation vorantreiben und die Bildung. Denn wir dürfen nicht von ausländischen, qualifizierten Kräften abhängig sein.

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