"Eine Forschungsuni, die die Lehre nicht vernachlässigt", François Biltgen au sujet du développement de l'Université de Luxembourg

Tageblatt: Haben Sie dieses Jahr auf der REEL in Brüssel wieder Ihre Judokünste vorgeführt?

François Biltgen: Nein! Ich habe meiner Frau versprochen, dieses Jahr keine "Purzelbäume" zu schlagen. Doch die REEL ist eine schöne Sache, es macht mir immer Spaß, mich als Hochschulminister der Fragestunde der Studenten zu stellen. Und Brüssel ist nicht so weit weg, da kann man einen Tagesausflug hin machen.

Tageblatt: Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Lehre und Forschung in Luxemburg in den letzten Jahren, gerade auch im Hinblick auf die kürzliche Eröffnung des LCSB (Luxembourg Centre for Systems Biology)?

François Biltgen: Die Eröffnung des LCSB auf Belval zeigt, dass wir die Uni nun so langsam, aber sicher dort hinbekommen, wo wir sie haben möchten. Eine Uni, die ihren Schwerpunkt in der Forschung hat, aber die Lehre nicht vernachlässigt. Der Fachbereich Systems Biology ist hierfür ein gutes Beispiel, denn bevor die Kooperationsabkommen für das Institut unterschrieben wurden, war der Master in Systems Biology schon in Planung. Lehre und Forschung gehören zusammen, das ist das, was wir uns für Luxemburg vorstellen. Mit dem LCSB ist nun bereits einer unserer Prunkstücke in Belval, das sagt viel aus.

Tageblatt: Rudi Balling hat im Interview mit dem Tageblatt gesagt, er hätte sich von der Politik nicht mehr Unterstützung vorstellen können, das geht doch sicher herunter wie Öl, oder?

François Biltgen: Ja, sicher. Und ich kann mich auch nicht beschweren. Immer wenn es Diskussionspunkte gab, haben wir uns zusammengesetzt und gemeinsam nach Lösungen gesucht und diese auch gefunden. Ich bin sehr froh, dass sowohl Rolf Tarrach als auch Rudi Balling immer wieder sagen, dass Luxemburg ein Land ist, in dem man gut arbeiten kann. Oft wird mir im Ausland die Frage gestellt, wie viel ich denn zahlen würde, um solch gute Fachkräfte nach Luxemburg zu "locken". Ich weiß, dass Rudi Balling, wie Rolf Tarrach auch, nicht wegen des Geldes nach Luxemburg gekommen sind, sie wären auch anderswo gut bezahlt worden, sie kamen vor allem hierher, weil sie unser Hochschulgesetz gelesen und darin ihre Vorstellungen von der Zukunft einer Universität bestätigt gesehen haben. Sie sind sich der Voraussetzungen, um gut zu arbeiten und eine junge Universität aufzubauen, völlig bewusst und sehen genau darin die Herausforderung.

Tageblatt: Bleibt es bei 2014 für das Jahr des großen Uni-Umzugs nach Belval?

François Biltgen: Ja. Auf jeden Fall. Rolf Tarrach hat selbst gesagt, dass er mittlerweile genauso optimistisch sei wie sein Minister. Die Universität muss sich natürlich auf den Umzug vorbereiten und selbstverständlich wird auch der Umzug in Etappen vonstattengehen. Es ist klar, dass die Fakultät für Literatur, Human- und Erziehungswissenschaften schneller umziehen kann als die technische Fakultät, da der Umzug von verschiedenen Labors natürlich viel aufwendiger sein wird. Für mich bleibt es wichtig, dass wir die Skyline zeigen: Die beiden Hochöfen, die das Industriezeitalter verkörpern, dann der rote Turm der Dexia RBC, der für den für Luxemburg wichtigen Finanzplatz steht, und als drittes Element natürlich der Turm der "Maison du savoir", der für die Wissensgesellschaft für morgen steht.

Tageblatt: Wenn die Uni.lu kritisiert wird, geht es auch oft um ein gewisses Demokratiedefizit in der Struktur. Dem soll ja nun ein neues Hochschulgesetz entgegenwirken. Der "Conseil universitaire" soll mehr Macht bekommen, der "Conseil de gouvernance" dafür weniger. Können Sie die großen Punkte der Gesetzesvorlage kurz umreißen?

François Biltgen: Die wichtige und leicht zu beantwortende Frage lautet, ob die Uni für sich selbst arbeitet oder aber für das Land und die Gesellschaft? Und natürlich ist die Uni nicht da, um sich selbst zu reproduzieren, sondern um dem Land und der Gesellschaft zu nützen. Geht man davon aus, ist die Idee eines "Conseil de gouvernance" die einzig richtige, in dem weder die Uni selbst noch die Politik regieren. Externe Personalitäten, die sowohl aus dem wissenschaftlichen Bereich, vor allem aus dem Ausland, als auch aus der freien Wirtschaft kommen, haben einen anderen Blick auf das Geschehen. Sie werden zwar von der Regierung genannt, arbeiten aber völlig unabhängig. Die große Gefahr in einem kleinen Land ist die Politisierung der Universität. Deshalb haben wir in der Politik die entscheidende Aufgabe, hier eine klare Trennung aufrechtzuerhalten. Der "Conseil de gouvernance" funktioniert gut. Was bisher nur unzureichend funktioniert hat, sind die Strukturen unterhalb des "Conseil de gouvernance". Der "Conseil universitaire" muss zu einer zentralen Stelle werden, eine Art Senat, der bei Fragen zu Lehre und Forschung auch die Befugnis hat, zu entscheiden. Und diese Befugnis haben wir nun im Projekt für das neue Hochschulgesetz festgehalten."

Tageblatt: Bis 2020 möchten Sie den Anteil der Akademiker in Luxemburg auf 40 Prozent erhöhen. Wie?

François Biltgen: Erstens durch die Studienbeihilfe. Ich bin davon überzeugt, dass sie vielen jungen Menschen die Hemmschwelle nimmt, sich auf ein Studium einzulassen und auch den Schritt an Universitäten im Ausland zu machen. Doch natürlich muss man zuerst die Hochschulreife schaffen, um sich überhaupt an einer Universität einschreiben zu können. Deshalb ist es wichtig, dass wir sehr eng mit Mady Delvaux zusammenarbeiten. Ich finde es aber auch sehr wichtig, dass wir die BTS-Angebote ausbauen, schließlich muss nicht jeder eine akademische Laufbahn einschlagen, sondern gerade auch im technischen Bereich ist in Luxemburg noch viel Potenzial auszuschöpfen.

Tageblatt: Letzte Frage: Wenn Sie jetzt an die Uni gehen würden, für welchen Studiengang würden Sie sich heute entscheiden?

François Biltgen: Ich habe ja verschiedene Studien gemacht. Von Haus aus bin ich Jurist mit der Spezialität "europäisches Recht", ich habe dann aber auch noch "Sciences politiques" in Paris studiert. Als ich im Januar 1983 zurück nach Luxembourg kam, war ich dabei, eine DEA-Arbeit über die italienische Immigration in Luxemburg zu schreiben. Doch ich bin dann ja sofort in die Politik gegangen, meine Unterlagen liegen aber sicher noch irgendwo. Wenn ich heute dazu aufgefordert würde, ein neues Studium zu beginnen, dann würde ich mich sicher für Geschichte entscheiden. Im Bereich der Geschichte habe ich zwei Vorlieben: Selbstverständlich zeitgenössische Geschichte, da sie sehr viel mit der Politik von heute zu tun hat, und außerdem bin ich ein großer Fan des Mittelalters. Wenn ich einmal in Pension sein sollte, dann würde ich hebend gerne eine Biografie über den Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg schreiben, den Luxemburger "Kaisermacher". Eine meiner absoluten Lieblingsgestalten!

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